Friday, September 14, 2007

Saturn

Saturn gilt als Gott der Melancholie, noch heute nennen die Engländer einen melancholisch-düsteren Character als „saturnine“ und das portugiesische „soturno“ bezeichnet einen finsteren unfrohen Gesichtsausdruck.(1) So ist es denn nicht verwunderlich, dass auf vielen Gemälden, nicht nur des Mittelalters, Saturn mit grübelnder, traurig-verbitterter Miene dargestellt ist. Wieso ist nun der Saturn das Gestirn der Melancholie? Das konnte ich leider nicht ganz so genau nachvollziehen.
Zum einen hat es natürlich wieder mit der 4 Säfte-Lehre zu tun. So sind die ersten Aufzeichnungen die belegen, dass Jupiter sanguinischen, Mars cholerischen und Luna oder Venus die phlegmatischen Verhalten zugeordnet wurden, im Arabien des 9. Jahrhundert zu finden.(2) Der Saturn ist dunkel und schwarz genau wie das Element der Erde, welches der schwarzen Galle zugeordnet ist. Mit seiner Natur werden die verschiedensten Eigenschaften verbunden: „kalt, trocken, bitter, schwarz, dunkel, rauh, feucht, schwer ... ist aufrichtig in der Freundschaft ... Ackerbau ... Vermessung ... Reichtum ... bittere Armut ... langen Aufenthalt in der Fremde ... Verblendung ... Hass ... In-sich-Zurückgezogensein, auf Einsamkeit und Ungeselligkeit, auf Großmannssucht ... Stolz ...Tyrannei und Zorn ... Gefangenschaft ... aufrichtiges Reden, Bedächtigkeit, Besonnenheit, Verstehen, Prüfen, Erwägen ... auf vieles Denken, Sich-Fernhalten von Rede und Zudringlichkeit, auf das Verharren auf einem Wege. Beinahe nie wird er zornig, aber wenn er zornig wird, beherrscht er sich nicht, er gönnt anderen nichts gutes ... auf langes Nachdenken und wenig Reden, auf Geheimnisse ... zeigt hin auf Selbstvernichtung und Fragen der Langeweile.“(3) Das sind bereits extrem viele Dinge die dem Melancholiker inne sind und hier bereits deutlich gekürzt, trotzdem folgen dem noch mehr, die ich auch noch nennen möchte. Wenn der unter dem Saturn stehende Mensch „ aber böse ist [ich vermute hier ist der melancholische Zustand an sich gemeint, man kann ja auch mal gut drauf sein], dann weißt er hin auf Hass, Eigensinn, Sorge, Trauer, Wehklagen, Weinen, schlechte Meinung [oder Nörgeln, wie es mir schon vorgeworfen wurde, ich finde ich kritisiere maximal, eigentlich denke ich nur mögliche Verbesserungen oder Wege an] ... und er ist schreckhaft, leicht verwirrt, verstockt ... Es heißt auch von ihm, er sei mager, furchtsam, dünn, streng ... großer Hand, gedrehten Beinen [ich habe O-Beine], aber angenehm anzusehen ...“(4) Nun ist es bei dieser Vielfalt natürlich leicht sich hier und da wieder zu finden. Bei all diesen Aufzählungen ist jedoch wichtig für mich, dass sie, hier und dort, eine gewisse Gegensätzlichkeit widerspiegeln. So ist Saturn mal trocken und mal feucht, hat große Besitztümer und weist aber auch auf tiefste Armut hin. Er ist jähzornig, listig und missgünstig, kann aber gut zuhören, hat Verständnis und macht sich Sorgen. Genauso wird von Gefangenschaft und Fesselung geschrieben, gleichzeitig wird ihm aber auch die Führung von Sklaven, Knechten und Gutstümern zugetragen. Seine tiefen Gedanken und seine Bedachtsamkeit weisen auf eine geheimnisvolle Weisheit hin, dem gegenüber Verwirrtheit und Selbstvernichtung steht. Dieses Durcheinander kann geschichtlich etwas erklärt werden. Es kam zu dieser Zeit zu Vermischungen, weil die Götter, welche Gestirnen zugeordnet wurden, länger lebendig blieben, wurden ihnen die verschiedensten mythologischen Bestimmungen aus astronomischen, naturwissenschaftlichen, astrologischen und religiösen Bereichen zugewiesen. Ebenso kam es im Zuge der Helenisierung zu einer Zusammenlegung von Saturn und Kronos. Letzterer war seit jeher durch eine starke innere Gegensätzlichkeit gekennzeichnet. Diese Ambivalenz ist an seiner Geschichte gut zu verdeutlichen. Kronos ist der jüngste Sohn von Uranus (Himmel) und Gaia (Erde). Sein Vater zieht den Zorn Gaias auf sich als er die anderen Geschwister wieder zurück in die Erde stößt, weil er sie wohl fürchtete. Kronos ist von Anfang an neidisch auf Uranus Fruchtbarkeit und so ist es für seine Mutter ein leichtes ihn gegen den Vater aufzustacheln. Sie reicht ihn eine Sichel und er schneidet des Nachts Uranus die Genitalien ab und wirft sie ins Weltmeer. Dabei entsteht zum Beispiel Aphrodite, die „Schaumgeborene“. Daraufhin übernimmt Kronos die Herrschaft, ist allerdings belegt mit einen Fluch, nämlich das er von dem eigenen Sohn gestürzt werden solle. Also verschlingt Kronos alle seine Kinder bis auf Zeus, den Rhea, seine Gemahlin, heimlich auf Kreta zur Welt bringt. Durch die Täuschung mit einem in Windeln gehüllten Stein, kann Zeus heranwachsen um seine Bestimmung zu erfüllen. Er fordert die verschlungenen Geschwister zurück und wirft den Vater nach Jahre langen Kämpfen in die Tiefe der Erde, wo er quasi begraben ist.(5) In der orphischen Überlieferung des Mythos wurde Kronos von Zeus ebenfalls verstümmelt, wohl mit der gleichen Sichel. Die Sichel als Symbol für Tod in Form der Sense mit dem dazugehörigen Mann ist in der westlichen Kultur weit verbreitet.
Da ich zu dieser Vermischung auch nur abstrakt Zugang finde, möchte ich nicht näher darauf eingehen. Wichtig ist, das Saturn und damit die Melancholie sehr zwiespältig oder besser, vielfältig ist.


1 - Lambrecht, Roland (1996): Der Geist der Melancholie. S. 23, München, Wilhelm Fink Verlag

2 – Klibansky, Raymond; Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz (1998):Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und der Kunst. S.203, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag

3 – ebd. S. 208

4 – ebd. S. 209

5 - Lambrecht, Roland (1996): Der Geist der Melancholie. S. 25/26, München, Wilhelm Fink Verlag

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